Wie Frauen in Führung damit umgehen
Frauen in Führungspositionen können auf sehr unterschiedliche Weise mit dem Thema Brustkrebs konfrontiert werden – als selbst Betroffene oder auch durch eine an Brustkrebs erkrankte Mitarbeiterin. In beiden Fällen sind sie als „Frau in Führung“ besonders gefordert. Wir möchten Sie dabei unterstützen!
Liebe Leader*innen,
Liebe Betroffene,
über das Thema Brustkrebs (oder Krebs) unterhält sich keine von uns Führungsfrauen gerne. Doch es macht nicht vor der Bürotür halt. Und auch, wenn es sich um eine intime Diagnose, in einem noch intimeren Körperteil handelt, brauchen wir mehr Frauen in Führung, die hier den Bann brechen – als Vorbilder.
Dieses Paper soll Sie, liebe Leader*innen unterstützen, wenn Sie mit dem Thema auf allen denkbaren Wegen konfrontiert werden. Vielleicht ist eine Mitarbeiterin von Ihnen akut betroffen und Sie fragen sich, wie Sie sie unterstützen können. Vielleicht haben Sie Bedenken, dass Ihre Hilfe anmaßend wirkt, oder Sie suchen nach den richtigen Worten. Vielleicht fragen Sie sich aber auch, was Sie ganz konkret tun können, um Ihrem Teammitglied eine rasche Genesung und einen reibungslosen Wiedereinstieg zu ermöglichen. Und bitte bedenken Sie, dass Brustkrebs auch Männer betreffen kann.
Vielleicht sind Sie aber auch selbst betroffen. Dann sehen Sie sich womöglich mit Fragen konfrontiert, die von Ungewissheit oder auch Angst begleitet sind und sich nicht einfach lösen lassen. Außer den plötzlich auftretenden existenziellen Lebensfragen geht Ihnen durch den Kopf, wie diese Diagnose Ihre Position, Ihre Karriere und Ihr Familienleben beeinflussen könnte - und wie Sie in der Zeit während und nach der Therapie Ihr Berufsleben oder einen beruflichen Wiedereinstieg gestalten können.
Die Healthcare Frauen geben Ihnen gemeinsam mit der Erfahrungsexpertin und Bestseller-Autorin Nicole Staudinger diesen Leitfaden an die Hand. Keinen medizinischen Ratgeber, denn dafür liegt die Expertise bei den zertifizierten Brustzentren, sondern einen zwischenmenschlichen Leitfaden.
Nicole Staudinger war vor vielen Jahren selbst erkrankt und ist heute Kommunikationstrainerin für Unternehmen, Organisationen, Kliniken und Ärzte, und insbesondere für Frauen.
Wir wünschen uns, dass dieser Leitfaden Ihnen dazu dient, dass Sie sich nicht nur im Umgang mit Betroffenen sicherer fühlen, sondern dass durch die offene Kommunikation miteinander eine Atmosphäre entstehen kann, die Sie und Ihre Mitarbeitenden regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen intuitiv auf die To-Do-Liste setzen lässt. Einen wichtigen Punkt möchten wir gerne noch ansprechen: Die Inhalte dieser Broschüre sollen nicht nur helfen, offener über Brustkrebs zu sprechen, sondern auch über andere Krebsarten.
Von Herzen,
Nicole Staudinger und die Healthcare Frauen
Viele Firmen haben eine*n Personalverantwortliche*n, der/ die Fragen in Richtung Krankentage- geld (Achtung besonders bei Privatversicherten, hier ist das Gap zwischen Normalverdienst und Krankentagegeld meist höher wie bei der GKV), Urlaubsanspruch, Schwerbehindertenausweis, Reha, Wiedereingliederung etc. beantworten können. Bestenfalls hat das Unternehmen schon ein eigenes Unterstützungs-Programm für Betroffene in Not und kann auch Maßnahmen für Hilfen außerhalb des Berufs anbieten (Kommunikation mit Kindern & Familie, Kinderbetreuungshilfen, Ernährung, Sport, Mental Health ...).
Ihre Aufgabe ist es auch, für eine Vertretung zu sorgen. Je nachdem, wie die Behandlung aussieht (Chemotherapie, Bestrahlung, OP oder keine OP) kann es für Ihre Mitarbeiterin aber auch denkbar und hilfreich sein, wenn sie flexibel arbeitet oder auch nur ab und an ins Büro kommt.
Geben Sie ihr die Option jetzt - oder aber später.
„Du kümmerst dich jetzt natürlich nur um dich und um deine Genesung. Wir halten die Stellung, bis du wieder da bist. Ich würde mich aber freuen, wenn ich zwischendurch nachhören darf, wie es dir geht. Und solltest du in dieser Zeit spüren, dass die Arbeit dir guttäte: Wir freuen uns! Ganz ohne Druck!”
Erkundigen Sie sich in Ihrem Unternehmen, ob es Hilfe bei sozialrechtlichen Fragestellungen für Ihre Mitarbeiterin gibt.
Wenn sich Ihre Mitarbeiterin vertrauensvoll an Sie wendet, haben Sie erstmal nur die Aufgabe zuzuhören. Lassen Sie sich von Ihrem Gefühl leiten und versetzen Sie sich gerne in ihre Lage. Das wird Ihnen nicht schwerfallen: Sie sind eine weibliche Führungskraft! Im Kopf Ihrer Mitarbeiterin sind konkrete Ängste, die weit über die beruflichen Fragen hinausgehen. Dennoch ist es Ihre Aufgabe nachzufragen, wie der Plan und eine eventuelle Unterstützung aussehen kann.
Bedanken Sie sich für die Offenheit und fragen Sie gerne folgende Punkte, je nach Gefühl, nach:
„Danke, dass Du zu mir gekommen bist! Wie geht es Dir? Was kann ich aktuell für dich tun“?
„Was macht Dir momentan am meisten Sorgen? Wo kann ich Dich unterstützen“?
„Wenn die Frage zu indiskret ist, sag mir das bitte, aber mich würde interessieren: Welchen Behandlungsplan hast du bekommen“?
„Welche Unterstützung bekommst du von zuhause?“
Ihre Mitarbeiterin ist erkrankt, natürlich dürfen Sie auch trösten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Mitleid selten etwas ist, was wirklich hilft. Mir haben folgende Sätze stets gutgetan:
„Es tut mir unendlich leid. Und auch wenn auf Dich eine bestimmt harte Zeit zukommt, so bin ich mir sicher, dass Du sie meistern wirst.“
„Wenn es ok für Dich ist, würde ich mich in regelmäßigen Abständen melden und hören, was ich tun kann. Und wenn Du nicht reden willst, oder Dir das zu viel ist, ist das auch ok. Wäre das für Dich in Ordnung?“
Nur weil sich Ihre Mitarbeiterin Ihnen anvertraut hat, heisst das nicht, dass sie dies dem Kollegium mitteilen möchte. Fragen Sie auch hier nach, wie es gewünscht ist:
„Wie wünschst Du Dir den Umgang mit Kolleg*innen? Möchtest Du sie informieren? Oder lieber nicht? Wie kann ich Dich hier unterstützen?“
„Auch wenn Du es jetzt nicht kommunizieren möchtest und Deine Meinung nächste Woche änderst, ist das völlig ok, ich unterstütze Dich in allem.“
Ermöglichen Sie eine ganz offene Atmosphäre. Getuschel hinter vorgehaltener Hand in der Kaffeeküche sorgt nicht nur für eine bedrohliche Stimmung, sie vergeudet auch Energie und Ressourcen.
Wenn Sie keine erfahrene Ärztin sind, halten Sie sich gerne mit medizinischen Ratschlägen (auch mit anderen Ratschlägen!) zurück. Hören Sie aber bitte gerne raus, ob Ihre Mitarbeiterin sich in einem zertifizierten Brustzentrum behandelt lassen wird.
„Für welches zertifizierte Brustzentrum hast Du Dich entschieden?“
Wenn Ihre Mitarbeiterin das Wort noch nicht gehört hat, geben Sie ihr gerne eine Liste mit „Schau mal, ich habe hier alle Zentren in der Nähe. Hier sind die Profis, die den ganzen Tag nichts anderes machen.“
Je nachdem, wie Ihr Verhältnis ist, fragen Sie, ob sie Begleitung hat beim Besuch oder Unterstützung benötigt in der Terminvereinbarung.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass wir gerne mit Menschen sprechen, die das gleiche Schicksal haben, um uns offen auszutauschen.
„Vielleicht kennst Du jemanden, der auch Brustkrebs hat und sprichst mit ihr darüber, das kann oft sehr hilfreich sein und Ängste nehmen.“
Falls die Mitarbeiterin niemanden kennt – es gibt professionelle Portale, wo man sich mit anderen Betroffenen (auch anonym) austauschen kann.
Im besten Fall arbeitet Ihre Mitarbeiterin nach eigenem Wunsch oder kommt genesen zurück zum Arbeitsplatz. Von außen betrachtet, ist alles „wieder gut“, aber der eigene, individuelle Blick vermag ein anderer zu sein. Gewisse Nebenwirkungen wie Fatigue (Müdigkeit), extreme Vergesslichkeit (Chemo-Hirn) oder Schmerzen (durch OP) halten sich oftmals lange Zeit. Neben dem klassischen Hamburger Modell (schrittweise Wiedereingliederung) können Sie auch für folgendes sorgen:
Die Heilungschancen bei Brustkrebs sind außerordentlich gut - und höchst wahrscheinlich dürfen Sie Ihre Mitarbeiterin wieder willkommen heißen. Aber natürlich gibt es leider auch die Fälle, die Fernmetastasen bilden und damit in das Stadium 4 wechseln: Die Ärzte behandeln ihre Mitarbeiterin dann als chronisch erkrankte Frau. Sie sollten jetzt wissen, dass Formulierungen wie „Das wird schon wieder“ oder „Wie? Du wirst immer noch behandelt“ unpassend sind und auch im Kollegium vermieden werden sollten. Stadium 4 bedeutet nicht, dass Ihre Mitarbeiterin sofort verstirbt, aber, dass sie ab jetzt mit der Erkrankung leben muss.
Dies kann auch wirtschaftliche Konsequenzen für Ihre Mitarbeiterin bedeuten, weil häufig das Krankengeld verbraucht ist. Hier können Sie gerne auf eine mögliche Unterstützung durch Expert*innen, z.B. bei den (ambulanten) Krebsberatungsstellen, die vom GKV-Spitzenverband gefördert werden.
Es ist wichtig, dass Sie als Führungskraft in einer so schwierigen Situation gut vorbereitet sind, um angemessen und respektvoll reagieren zu können.
Stellen Sie sicher, dass Sie im Unternehmen ein festgelegtes Verfahren für den Umgang mit dem Verlust eines Mitarbeiters haben. Ein solches Vorgehen kann dabei helfen, Mitgefühl und Unterstützung sowohl für die Angehörigen als auch für das Team zu zeigen. Psychosoziale Krebsberatungsstellen können dabei helfen.
Vermutlich gelten in diesem Fall Ihre ersten Gedanken nicht Ihrer beruflichen Funktion. Daher holen wir hier noch ein Stück weit vorher aus, um Sie als FRAU anzusprechen:
Erst einmal tief durchatmen, denn die allermeisten Knoten sind harmlos. Machen Sie einen Termin bei Ihrer Frauenärztin/Arzt und lassen Sie sich untersuchen. Entweder lassen Sie sich abtasten und / oder Sonografie. Sollte etwas Auffälliges sein, bekommen Sie eine Überweisung in ein Brust- zentrum.
Das Brustzentrum wendet weitere bildgebende Methoden an (Mammografie, Sono, etc.) und macht gegebenenfalls eine Gewebeprobe.
Sie haben eine Diagnose erhalten. Von einem zertifizierten Brustzentrum.
Atmen! Nochmal atmen! NICHT gleich los GOOGELN!
Und während Sie atmen und nicht googeln, tagt in Ihrem Brustzentrum ein großes interdisziplinäres Team aus Fachleuten und berät über Ihren individuellen Behandlungsweg.
Irgendwann stellen Sie sich natürlich die Fragen:
Sie möchten sich online informieren?
Hier finden Sie nützliche Links zum Thema.
Aber ACHTUNG: Sie werden Phasen durchlaufen! Sollten Sie heute fühlen „Ich kann auch weiter arbeiten!“, kann Ihr Kopf morgen schon ganz anderes reagieren. Wählen Sie eine offene Kommunikation und fordern Sie Flexibilität Ihres Arbeitgebers ein (gerade in Zeiten des Remote Workings sollte dies möglich sein).
„Ich kenne den Weg noch nicht, der auf mich zukommt, aber ich gehe davon aus, dass er hügelig wird. Lass uns gerne immer im Kontakt bleiben. Stand heute stelle ich mir vor, dass mir die Arbeit auch gut tun könnte.“ (Oder eben auch nicht.)
Seien Sie nicht so streng zu sich und sagen Sie offen, wenn Sie doch eine Pause brauchen. Sie und Ihre Genesung sind jetzt im Fokus und das aller Wichtigste.
Wenn Sie weiterarbeiten, werden Ihre Mitarbeiter früher oder später merken, dass etwas nicht ganz beim Alten ist. Vielleicht sind Sie öfter unkonzentriert, Ihre Haare fallen durch die Chemo aus, Sie sind öfter mal nicht erreichbar durch Arzt- und Krankenhausbesuche oder ganz einfach mal spontan ein paar Tage krank.
Daher ist offene, transparente Kommunikation die beste Lösung für alle. Sie werden dadurch besser verstanden und Ihre Mitarbeiter*innen wissen, woran sie sind. Gehen Sie aber nicht davon aus, dass jede/r über das Thema sprechen kann. Es gibt vielleicht Mitarbeiter*innen, die eine enge Familienangehörige oder eine Freundin durch Brustkrebs verloren haben, hier muss man achtsam sein.
Es ist wichtig, sich selbst die gleiche Fürsorge und Unterstützung zu gewähren, die Sie auch einer erkrankten Mitarbeiterin zukommen lassen würden.
Irgendwann werden Sie auch rechtlichen Fragen haben zu Themen wie Datenschutz, arbeiten trotz Krankmeldung, Schwerbehindertenausweis, medizinische Reha, berufliche Wiedereingliederung, Leistungen der Sozialversicherungsträger etc.
Hier finden Sie Antworten und Hilfestellungen.
Sollten Sie den Eindruck haben, aufgrund Ihrer Erkrankung unfair behandelt zu werden, zögern Sie nicht, dies sofort Ihrer Personalabteilung zu berichten. Ihre Gesundheit steht außer Frage und in diesen Zeiten ist es besonders wichtig, positive Unterstützung zu erfahren, anstatt negativen Einflüssen ausgesetzt zu sein.
Als Führungskraft haben Sie zwar Verantwortung, aber es bedeutet nicht, dass Sie ohne Hilfe auskommen müssen. Es ist vollkommen in Ordnung und ratsam, Unterstützung anzunehmen und nach Hilfe zu fragen.